Interview mit Reinhard Czempik
F: Wie lief ein typisches Training bei Meister Kobayashi ab?R: Er ist der einzige Aikidoka, den ich in meinem Leben kennengelernt habe, der nicht Aikido machte, sondern Aikido war.
Sehr typisch für ihn war, dass er lächelnd da stand und mit minimalsten,
fürs Auge kaum sichtbaren, Bewegungen die Ukes unabhängig von deren
Körpergewicht durch die Luft wirbelte. Dementsprechend schwierig war es
für mich von ihm zu lernen. Schauen, nachmachen, das wars. Mit der Zeit
sieht man immer mehr. F:
Konntest du ihn oft besuchen und wo fanden seine Lehrgänge
hauptsächlich statt?
R: Ich
war nur einmal in Japan. Es fügte sich aber glücklicherweise, dass er
stets wie ein Uhrwerk 2 Monate im Winter und 3 Monate im Sommer in
Europa war. Die meisten Lehrgänge waren in Frankreich. Wie viele
Lehrgänge ich besuchte kann ich heute nicht mehr sagen. Beruflich war
ich ja eingeschränkt (Anm: Reinhard ist Lehrer für Mathematik und
Chemie). In den Schulferien alles, was im Angebot war, mit Ausnahme
Sizilien. In der Schulzeit nur die Wochenenden, im Bewegungsradius
Paris - Venedig. F: Kannst du uns ein Erlebnis mit ihm berichten oder etwas was dir sehr in Erinnerung geblieben ist? R:
Da gibt es natürlich vieles. Eines möchte ich hier erwähnen: In
Rüsselsheim 1977 holte er mich als Uke raus, da er wusste, dass ich als
Judoka gut fallen konnte. Als er mich warf, wurde mir kurz schwarz vor
den Augen und ich flog, ohne dass ich eine Körperberührung gespürt
hatte. Ich nahm nur eine Kraft wahr, die meinen Körper in die Luft
bewegte und ich meterhoch und meterweit flog. Bei meiner Landung muss
ich ein ziemlich dämliches Gesicht gemacht haben, da alle
Lehrgangsteilnehmer aufschrien vor Lachen und Begeisterung.
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